Weißtannenpflanzungen auf der Freifläche – ein unkonventioneller Weg

(von Revierförster Otmar Esper)

Das Forstrevier Kirburg liegt im Nordosten von Rheinland-Pfalz im Wuchsgebiet „Hoher Westerwald“
Mit durchschnittlich über 1000 mm Jahresniederschlag in der oberen submontanen, unteren montanen Höhenstufe gelegen, sind die standörtlichen Verhältnisse im Forstrevier Kirburg für den Weißtannenanbau prädestiniert.
Wenn sich hier – wie so oft – die Fichtenreinbestände auflösen, bleiben ungeschützte Freiflächen. Die weitaus überwiegend vorkommenden ebenen bis leicht geneigten Flächen ergeben dann ausgesprochen spätfrostgefährdete Verjüngungsflächen.
Die standörtlichen Verhältnisse, verbunden mit den üblichen Verbissbelastung im verpachteten Kommunalwald, haben die immer wiederkehrende Fichtenreinbestandwirtschaft gefördert.
Bei der Übernahme des Revieres im Jahr 1983 lagen keinerlei Erfahrungen mit dem An- oder Voranbau von Schattbaumarten vor.
Auch waren abgesehen von einer Handvoll Einzelexemplaren keine Alttannen vorhanden.
Der Einstieg in die Weißtannenwirtschaft erfolgte vor 35 Jahren auf kleinen gezäunten Flächen in mittelalter Fichte. Hier wurden kleine Windwurflöcher „verplombt“. Mit der – wenn auch kleinen – flächigen Bepflanzung wurde ich aber den natürlichen Ansprüchen der Weißtanne nicht gerecht, wie ich später feststellen musste. Ebenso bleibt natürlich bei flächiger Bepflanzung kein Raum für Mischholzanteile.
Der folgende Versuch, die Weißtanne durch Einzelmischung von Hainbuche anzureichern, hat sich auch als wenig sinnhaft herausgestellt. Die Hainbuche wird bei zeitgleicher Pflanzung zur Gefahr für die Tanne. Die Hainbuche überwächst sehr schnell den Langsamstarter Tanne.
In dem Maße wie die Kulturflächen durch die Windwürfe 1990 und folgend größer wurden, stellte sich die Frage nach der künstlichen „Herstellung“ eines Frostschutzschirmes für Weißtannenpflanzungen auf der Freifläche. Ausgehend von den Erfahrungen mit der Mischung von Rotbuche und Eberesche wurde für die Weißtanne die Pflanzung gemeinsam mit Roterle oder Eberesche entwickelt. Die Eberesche löst in unserer Höhenlage die Birke als natürlich vorkommende Pionierbaumart ab. Sie hat einige unterschätzte Vorzüge. Eberesche bringt trotz ihrer schütteren Belaubung den vollen Spätfrostschutz und bildet ein hervorragendes Bestandesinnenklima aus. Die Streu ist sehr bodenpfleglich. Mit Ihren Blüten und Beerenfrüchten leistet sie einen Beitrag zur Biodiversität.
Zur Etablierung eines Ammenwaldes werden Freiflächen mit 2000 bis 2500 Erlen oder Ebereschen je Hektar flächig oder in Gruppen bepflanzt. Roterle wird auf den stauwasserbeinflussten Standorten bevorzugt, Eberesche auf den Braunerden.
Unter Ammenwald verstehe ich eine junge Bestockung aus kurzlebigen Laubgehölzen, die ausschließlich dem Schutz und der Erziehung einer beigemischten langlebigen Zielbaumart dient.

Eberesche als Vorwald (Foto Otmar Esper)

Erle als Vorwald (Foto Otmar Esper)

Der Ansatz:

Mit verhältnismäßig hohen Stückzahlen wird mit Erle oder Eberesche sehr bald nach der Räumung ein Waldinnenklima geschaffen, in dem sich gepflanzte Weißtannen spätfrostgeschützt wohlfühlen.
Meist wird die Tanne zeitgleich mit dem Ammenwald gepflanzt. Es ist aber auch ein etwas späteres Einbringen der Tanne im zeitlichen Abstand von etwa 5 Jahren möglich, wenn sich der Ammenwald geschlossen hat.
Nur wenige Jahre nach der Pflanzung schließt sich der Ammenwald. Es bildet sich ein Bestandesinnenklima, der Nährstoffkreislauf kommt in Gang. Bei den Ammenbäumen beginnt bald nach dem Bestandesschluß die Astreinigung – es bildet sich ein Raum unter dem Kronendach, in dem die Tanne Platz zur Entwicklung findet. Hier können jetzt noch Mischbaumarten künstlich eingebracht werden. Eine Lichtsteuerung zur Entwicklungsförderung der Tanne ist gezielt und dosiert durch Entnahme von einzelnen Erlen möglich. Bildet die Eberesche den Ammenwald, so ist bis ins Stangenholzalter keinerlei Lichtsteuerung nötig. Eberesche lässt stets ausreichend genug Licht durchs Kronendach, um ein vitales Wachstum der Weißtanne zu gewährleisten.
Erle und Eberesche dienen – so die Erfahrung – nur als Mittel zum Zweck und lassen nicht die Perspektive einer zukünftigen spürbaren Holznutzung zu.
Etwa 10 Jahre nach der Pflanzung sind die Ammen 2- bis 3-mal so hochgewachsen wie die Weißtanne.
Nach ca. 25 bis 30 Jahren löst die Weißtanne die zunehmend schwächelnden Ammen im Kronendach ab.
Die Weißtanne wird nicht mehr flächig gebracht, sondern in kleinen Gruppen – so wie sie auch in Naturverjüngung vorgefunden werden. 500 Weißtannen reichen vollends aus, um einen Hektar Kultur auszustatten.
Wegen der langsamen Entwicklung und den hohen Schwarzwildbeständen wird bei der Weißtanne zunehmend auf Einzelschutz mit geräumigen Freiwuchsgitter aus grobmaschigem Kunststoffgitter gesetzt (siehe Foto).
Auf ganzer Fläche wird die Weißtannenetablierung sowohl in tabellarischer als auch in Form einer digitalen Karte dokumentiert.
In den letzten 35 Jahren wurden an 140 Standorten Weißtannen auf rund 1500 ha etabliert.
Die Wirkungsfläche kann mit 45 ha angenommen werden.